Flüchtlingssituation – In Städten und Gemeinden ist die Belastungsgrenze überschritten

Flüchtlingssituation – In Städten und Gemeinden ist die Belastungsgrenze überschritten
Rathaus Borken (Copyright: © Stadt Borken)

Gemeinsame Erklärung der Städte und Gemeinden des Münsterlandes

BORKEN / MÜNSTERLAND | pd | Die Sprecherinnen und Sprecher der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister im Regierungsbezirk Münster haben jetzt eine Erklärung der Städte und Gemeinden des Münsterlandes zur Flüchtlingssituation unterzeichnet. Borkens Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing (für den Kreis Borken), Olfens Bürgermeister Wilhelm Sendermann (für den Kreis Coesfeld), Ibbenbürens Bürgermeister Dr. Marc Schrameyer (für den Nordkreis Steinfurt), Rheines Bürgermeister Dr. Peter Lüttmann (für den Südkreis Steinfurt) und Ahlens Bürgermeister Dr. Alexander Berger (für den Kreis Warendorf) positionieren sich wie folgt:

„Wir Städte und Gemeinden des Münsterlandes bewegen uns bei der Unterbringung und Versorgung von Geflüchteten seit bald einem Jahr an den Grenzen des Leistbaren. Deswegen fordern wir Bund und Land nochmals eindringlich zu mehr Unterstützung auf.

Schon in den Spitzengesprächen im Herbst wurden unseren kommunalen Spitzenverbänden von Bund und Land Hilfen versprochen. Das, was passiert ist, reiche bei weitem nicht. Bei 1,1 Mio. Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine und derzeit rund 1.000 Asylsuchenden pro Woche sind die personellen und räumlichen Kapazitäten auch der Kommunen des Münsterlandes erschöpft. Deshalb stellen wir fest, dass die Belastungsgrenze auch hier in etlichen Fällen bereits überschritten ist. Wir Kommunen im Münsterland wollen helfen, aber unsere Ressourcen sind auch bei uns endlich. Wir benötigten möglichst schnell spürbare finanzielle und organisatorische Entlastung.

Handlungsdruck wächst von Tag zu Tag – Bund in der Bringschuld

Solidaritätserklärungen sowie Prüflisten mit Bundes- oder Landesimmobilien helfen uns kein Stück weiter. Bereits im Herbst haben wir Kommunen darauf hingewiesen, dass es nicht reichen werde, die Landeskapazitäten auf 30.000 Plätze aufzustocken. Nun sehen wir uns bestätigt. Das Land müsse sich am Niveau aus dem Jahr 2015/16 orientieren und mindestens 70.000 Plätze schaffen. Der Handlungsdruck wächst von Tag zu Tag. Auch das Land muss jetzt kurzfristig alle Kräfte mobilisieren und Gebäude bereitstellen, in denen Personen untergebracht werden können.

Auch den Bund sehen wir Kommunen in der Bringschuld. Es reicht nicht aus, im Bedarfsfall zu einem neuen Flüchtlingsgipfel einzuladen und neue Milliarden auszuschütten. Das Geld wird benötigt, aber kurzfristig löst es keine Probleme. Helfen werden uns nur zusätzliche, von Bund oder Land betriebene Unterkünfte sowie eine gerechtere Verteilung in Europa. Es kann nicht sein, dass NRW mehr Flüchtlinge aus der Ukraine aufnimmt als ganz Frankreich. Wir fordern den Bund auf, dieses Thema mit höchster Priorität anzugehen.

Obdachlosigkeit und gesellschaftliche Spannungen befürchtet

Enttäuscht nehmen wir Kommunen im Münsterland deswegen die Ergebnisse des letzten Flüchtlingsgipfels Mitte Februar zur Kenntnis. Sicher ist es im Sinne der Sache, eine Arbeitsgruppe mit kommunaler Beteiligung zu gründen, die bis Ostern klären sollte, wie wir Unterbringung organisieren und finanzieren können. Aber wir haben weiterhin nichts in der Hand, was uns wirklich hilft.

Dass der Bund auf die Länder zeigt und die auf den Bund, löst kein einziges Problem. Wir brauchen dringend mehr Aufnahmeeinrichtungen von Bund und Land, die Kommunen haben keine Spielräume mehr. Es kommen 1.000 Flüchtlinge pro Woche, hinzu kommt die ungewisse Entwicklung in der Ukraine oder das Erdbeben in der Türkei und Syrien. Wir müssen vor die Lage kommen, alles andere bedeutet mittelfristig Obdachlosigkeit und verschärft gesellschaftliche Spannungen.

Am meisten vermissen wir eine Perspektive. De Unterbringung in Turnhallen und Containern kann keine Dauerlösung sein. Die Kommunen planen deswegen schon für den nächsten Winter, sind dafür aber auf eine verlässliche Finanzierung angewiesen. Der Bund lässt uns damit allein und vertröstet uns immer wieder. Wir werden nicht lockerlassen, etwas anderes bleibt uns gar nicht übrig.

Für die finanziellen Aufwendungen zur Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten erwarten wir Städte und Gemeinden einen fairen Ausgleich. Wir Kommunen haben enorme Anstrengungen unternommen und die große Mehrheit der Unterbringungskapazitäten gestellt. Dass das Land die Entlastungsmittel des Bundes im Jahr 2023 nur noch zur Hälfte an die Kommunen weitergeben wolle, werde diesen Belastungen nicht gerecht. Wir Städte und Gemeinden fordern, die Mittel für 2023 In deutlich größerem Umfang an die kommunale Familie weiterzureichen.

Mit Blick auf die Zukunft braucht es nach unserer Überzeugung eine deutlich weitsichtigere Ausrichtung der Migrationspolitik. Die Welt ist in Unruhe, wir müssen uns darauf einstellen, dass Flucht und Migration für NRW zu Dauerthemen werden. Das Land stehe daher in der Pflicht, den Kommunen den Aufbau von nachhaltigen Strukturen zu ermöglichen.

Wir brauchen in Deutschland Pufferkapazitäten für kommende Krisen, auf die wir jederzeit zurückgreifen können. Dazu müssten Bund und Land eine Zahl vorzuhaltender Plätze in bestimmten Szenarien definieren. Ausbau und Vorhaltekosten auf kommunaler Seite seien 1:1 zu erstatten. Zudem müssten Bund und Land eigene Kapazitäten vorhalten.

Wir Kommunen des Münsterlandes weisen auf dieser Situation eindringlich hin.

Jetzt, bevor es zu spät ist!“

Quelle: Gemeinsame Erklärung der Städte und Gemeinden


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