Ortsentwicklung Burlo – Pläne vom attraktiven und bezahlbaren Wohnraum gehen nicht auf

Utopischer Mietpreis – Bauprojekt „Neue Mitte Burlo“ erfüllt Erwartungen Wohnungssuchender nicht
BURLO | bd | Am 14. September 2025 werden sich die wahlberechtigten Bürgerinnen und Bürger einmal mehr in die Wahllokale ihres Wahlbezirks begeben, um bei den anstehenden Kommunalwahlen ihre Stimmen abzugeben. Bis dahin werden die Kandidatinnen und Kandidaten aller politischen Parteien erneut auf unzähligen Wahlplakaten zu sehen sein und den Bürgerinnen und Bürgern – unterschrieben von markigen Wahlkampfsprüchen – ihr sympathischstes Lächeln schenken. Und einmal mehr werden sich diejenigen, die sich auf diesem Wege für einen Sitz im Stadtparlament bewerben, in dem, was sie den Bürgerschaften für die kommenden fünf Jahre im Vorfeld dieser Wahlen versprechen, überbieten. Business as usual also – soweit, so gut. Umso mehr an der Zeit, einmal einen Blick auf einige Ankündigungen zu werfen, die bei den Kommunalwahlen am 13. September 2020 in der Lokalpolitik für den Ortsteil Burlo ganz oben auf der Agenda standen.
Dabei sei eines gleich vorweggenommen: Die Politik in Borken hat viele ihrer Versprechen einhalten können und nicht alles, was in den vergangenen fünf Jahren nicht ganz so rund gelaufen ist, lässt sich an politischen Parteien oder ihren Vertretern festmachen. Dass die Borkener Wirtschaft und die Finanzierbarkeit diverser Projekte unter der Last der Corona-Pandemie gelitten hat und vor allem der russische Angriffskrieg in der Ukraine mit all seinen verheerenden Folgen in diese kommunale Legislaturperiode fällt, war vor dem letzten Urnengang auch für die Lokalpolitik nicht vorhersehbar. Insofern ist das Ergebnis der Stadtentwicklung trotz dieser negativen Begleitumstände schon recht bemerkenswert. Sei es bei den Ergebnissen in der Schul- und Kita-Landschaft, der Digitalisierung, bei der Mobilität, bei der Infrastruktur und/oder auch in der Landwirtschaft, wo vieles erreicht werden konnte.
Diese Begleitumstände sowie die viel beklagte, überbordende Bürokratie spielen dann wohl auch eine gewichtige Rolle bei der angestrebten Ortsentwicklung Burlo. Auch – aber nicht nur. So hatte sich die Lokalpolitik parteiübergreifend auf die Fahnen geschrieben, attraktiven, bezahlbaren Wohnraum für Jung und Alt in allen Ortsteilen, generationsübergreifend und behindertengerecht, zur Verfügung zu stellen (Zitat beispielhaft aus dem damaligen Wahlprogramm der CDU). Auf den Ortsteil Burlo bezogen hieß das konkret: Mit der Bebauung der ehemaligen Brachfläche zwischen Borkener Straße und der ehemaligen evangelischen Kirche sollte nicht nur neuer, bezahlbarer Wohnraum entstehen, sondern gleich ein künstlicher, bis dato in Burlo fehlender, Ortskern installiert werden. Anzusiedelnde Gastronomie und Ladenlokale sollten den großzügig bemessenen Raum zwischen den dreigeschossigen Gebäuden zu einem neuen „Bürger-Treffpunkt mit hoher Aufenthaltsqualität“ werden lassen.

Neue Mitte Burlo
Die Nutzung der besagten Fläche war bereits vor den letzten Kommunalwahlen viel diskutiertes Thema in der Burloer Bürgerschaft. Im Vordergrund der Überlegungen stand vor Baubeginn, für Familien Anreize für einen Zuzug nach Burlo zu schaffen oder denjenigen ein alternatives Wohnraumangebot zu unterbreiten, die in Burlo bereits ansässig sind und ihre eigengenutzten Immobilien veräußern wollten. Vertreter*innen der Stadtverwaltung Borken und aller politischen Parteien ließen kaum eine Gelegenheit aus, die Bebauung mit 21 behindertengerecht erstellten Wohnungen inklusive Tiefgaragenstellplätzen anzupreisen, um genau diese Ziele zu erreichen und so eine Wohlfühloase für alle Generationen zu schaffen. Für diese Ideen gab es dann auch im Rahmen einer eigens dazu einberufenen Bürgerversammlung aus dem Auditorium viel Applaus, als dort die Pläne vorgestellt wurden.
In gleicher Bürgerversammlung im Mai 2023 (BD berichtete) vertrat neben Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing und Jürgen Kuhlmann (Technischer Beigeordneter) auch der Burloer Norbert Nießing als 1. Beigeordneter der Stadt Borken die Auffassung, dass die Notwendigkeit, neuen Wohnraum in der Gemeinde zu schaffen, eines der vordringlichsten Themen der städtischen Verwaltung sei. In diesem Zusammenhang wurde gleichzeitig auf die Baupläne für den Bereich des Klosters und des ehemaligen Sportplatzes am Vennweg verwiesen, wo neben herkömmlichen Bauformen auch so genannte Mikrohäuser entstehen sollen. Bis dort jedoch Wohnraum zur Verfügung steht, dürften allerdings noch Monate, wenn nicht gar einige Jahre ins Land gehen.
Kostenexplosion in der Bauphase
Nun, Jahre später nach diesen Ankündigungen, wurden die Wunschvorstellungen zum Thema „Neue Mitte Burlo“ allerdings in den Hintergrund gedrängt. Das millionenschwere und von einem Investor finanzierte Bauprojekt verteuerte sich während der Bauphase aufgrund diverser, behördlicher Auflagen und rasant angestiegener Zinsen als Folge der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine. Ein weiterer Millionenbetrag war vonnöten, um das Projekt abzuschließen. Zur Refinanzierung werden nun als Konsequenz Mietpreise bei der Wohnraumvergabe aufgerufen, die mit der Lebensrealität im ländlichen Raum nichts mehr zu tun haben. Der aktuell veranschlagte Mietpreis in Höhe von 14 Euro Kaltmiete (in den Angeboten der Hausverwaltung, die im Netz veröffentlicht sind, nachlesbar) dürfte für viele Wohnungssuchende trotz der hochwertigen Ausstattung der Wohneinheiten und der viel beschriebenen, attraktiven Wohnumfeld-Qualität ausschlaggebender Grund dafür sein, sich nicht in Burlo, sprich – in der „Neuen Mitte“ – niederzulassen.
Kaum Anreize für den Verkauf von Bestandsimmobilien
In jüngst geführten Gesprächen mit unserer Redaktion beteuerten ortsansässige Eigenheimbesitzer, dass sie sich aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters sehr gut vorstellen könnten, ihre bislang bewohnten und bewirtschafteten und zum größten Teil überdimensionierten Immobilien an interessierte Familien mit Kindern zu veräußern, sofern adäquater Wohnraum im eigenen Lebensumfeld zur Verfügung stehen würde. Einige von ihnen hätten deshalb auch lange vor Fertigstellung des Bauvorhabensihr Interesse bekundet, einen Zuzug in der „Neuen Mitte“ in Betracht zu ziehen. Von diesem Vorhaben sind annähernd alle Befragten zwischenzeitlich jedoch wieder abgerückt, da sie die nun aufgerufenen Mietpreise geradezu schockiert hätten. Mietpreise in dieser Größenordnung könne man sich allenfalls in nordrhein-westfälischen Großstädten mit entsprechender Infrastruktur vorstellen, nicht aber in der Gemeinde Burlo.
Sich „kleiner zu setzen“ bliebe für viele zwar auch weiterhin eine Option, aber eben nicht um jeden Preis. Kein Wunder also, dass das Gros der zur Verfügung stehenden Mietwohnungen im besagten Objekt auch Monate nach Baufertigstellung noch leer stehen und Immobilien, die von zuzugswilligen Familien in der gesamten Region händeringend gesucht und dringend benötigt werden, nicht zur Verfügung stehen.
Wie viele der Wohneinheiten bisher tatsächlich vermietet werden konnten und ob zeitnah Aussicht darauf besteht, dass das großflächige Grundstück im Herzen der Gemeinde durch Ansiedlung eines Gastronomiebetriebes und/oder Ladenlokalen – wie ursprünglich in Aussicht gestellt – aufgewertet und somit tatsächlich zum Bürger-Treffpunkt werden kann, hätten wir gerne von der in Bocholt ansässigen Wohnungsgesellschaft erfahren, die mit der Vermietung beauftragt wurde. Eine schriftliche Anfrage dazu blieb bislang jedoch unbeantwortet.
Mit der Ansiedlung einer ambulanten Tagespflegeeinrichtung (Wohnfit-Tagespflege Burlo-Mitte), die inmitten des neuen Quartiers den Betrieb im März dieses Jahres aufnahm (BD berichtete) ging die Hoffnung vieler Gemeindemitglieder einher, dass die Neue-Mitte-Burlo nun entsprechenden Auftrieb erhalten und die ursprünglichen Pläne der Stadtspitze sich noch verwirklichen ließen. Bislang bestätigte sich diese Hoffnung jedoch nicht.
Angekündigte Umgestaltung der öffentlichen Grünanlagen an der Borkener Straße lässt auf sich warten
Mit dem Bauprojekt einhergehen sollten nach damaligen Überlegungen der Verwaltungsspitze auch visuell auffällige Veränderungen an der Grün-/Baumbepflanzung entlang der Borkener Straße (Pfarrgemeindezentrum bis zur Einmündung Waldstr./Dunkerstraße). Damit sollte einerseits den Durchreisenden signalisiert werden, dass sie sich in der Burloer Ortsmitte befinden und mit entsprechend angepasster Aufmerksamkeit und Geschwindigkeit durch den Ort fahren und andererseits auch bei den Ortsansässigen und Ortskundigen der visuelle Eindruck einer – wenngleich auch künstlich hergestellten – „neuen Ortsmitte“ verdeutlicht werden. Die Umsetzung dieser Pläne lässt nach wie vor auf sich warten, getan hat sich bis dato in dieser Angelegenheit nichts.

Man darf also auf die weitere „Ortsentwicklung Burlo“ sehr gespannt sein, zumal sich die Aktivitäten vieler Gemeindemitglieder mittlerweile auf ein Objekt an ganz anderer Stelle in der Gemeinde konzentrieren. Mit der Idee, eine Bürgergenossenschaft ins Leben zu rufen und auf diesem Wege die alten Gemäuer der „Klosterpforte“ in Nähe des Klosters Mariengarden als Gastronomie wiederzubeleben, haben sich die Interessen nicht nur mental, sondern auch geografisch offenbar deutlich von der Neuen Mitte entfernt. Und während diese Idee von von vielen Bürgerinnen und Bürgern mitgetragen und in den Netzwerken als richtungsweisend gefeiert wird, musste ein wichtiger Versorger in Nähe der „Neuen Mitte“ mangels Umsatz die Türen hinter sich abschließen. Die seit Jahrzehnten in der Waldstraße ansässige Apotheke am Venn ist zum Leidwesen vor allem der ortsansässigen Seniorinnen und Senioren mittlerweile Geschichte. Mit Aufgabe des Apothekenbetriebes ist für die Burloer Bürgerschaft ein durchaus bedeutsamer Anlaufpunkt/Versorger weggebrochen. Die Immobilie steht seit der Geschäftsaufgabe leer.
Entwicklung Klostersee nach wie vor Thema in der Gemeinde
Auf dem Prüfstand steht auch die übrige Ortsentwicklung, die gefühlt nach wie vor eher schleppend bis gar nicht vorankommt – so das Empfinden in der Bürgerschaft. Einzig den ehrenamtlichen Tätigkeiten (im Löschzug Burlo, im Heimatverein und vielen anderen Vereinen und Initiativen), die nach wie vor sehr gut funktionieren und die in vielen Bereichen Aufgaben übernehmen, die primär Aufgaben der städtischen Verwaltung und/oder der Ordnungsämter sind, wird nach wie vor unisono großes Lob gezollt. Und während die Forderung nach einem „Bauwagen als Ort zum jugendgerechten Chillen“ auf dem Gelände des PGZ sowie der Bau einer Boule-Anlage zwar zwischenzeitlich realisiert werden konnten (beides Ideen aus der Dorfvertreterversammlung 2022 – in ehrenamtlicher Arbeit mit städtischer Unterstützung umgesetzt), gibt es beim nach wie vor spannenden Thema Klostersee kaum etwas Neues zu berichten. Nachdem das Thema „kleine oder große Badeseelösung“ trotz hoher Investitionssummen im Vorfeld für so genannte „Machbarkeitsstudien“ offenbar für die Verantwortlichen im Rathaus kein Thema mehr zu sein scheint oder dieses unbefristet auf Eis gelegt wurde, kam vor drei Jahren das Thema „Rundwanderweg Klostersee“ (soll mit Sport- und Spielgeräten sowie Sitzgelegenheiten bestückt werden) als Minimallösung ins Gespräch. Auch für die „Erneuerung des arg in die Jahre gekommenen Stadtmobiliars“ und die Installation so genannter „roter Bänke“, die symbolisch für die Aktion „Kein Platz für Gewalt gegen Frauen“ stehen, sprach sich die „Dorfvertreterversammlung“ aus und wiederholte damit die bereits während des DIEK Burlo (Dorfinnenentwicklungskonzept) beschriebenen, vordringlichen Maßnahmen zur Steigerung der Gemeinde-Attraktivität.

Aktivitätsbekundungen gab und gibt es in diesen Angelegenheiten zwar wiederkehrend in den lokalen Versammlungen, Vollzugsmeldungen bleiben (bis auf die offenbar fertiggestellte grafische Entwicklung eines Logos für den Rundwanderweg) bislang jedoch aus. Im Zeitraum von drei Jahren von den ersten Ideen, die aus der Bürgerschaft geliefert und von allen Beteiligten für gut befunden wurden, hat sich am Klostersee bis auf blumige Versprechen ein weiteres Mal nichts getan. Und auch, wenn die geplanten Projekte bekanntermaßen zunächst viele behördliche Hürden nehmen müssen und es hier und da Lieferengpässe beim benötigten Baumaterial geben kann, fällt es den Bürgerinnen und Bürgern zunehmend schwerer, Verständins für den fortdauernden Stillstand aufzubringen. Erst recht dann, wenn seitens der Verantwortlichen bei der Stadt Borken auf Nachfrage unserer Redaktion im April 2025 bekundet wird, dass viele der geplanten Gerätschaften bereits angeschafft wurden, diese aber offenbar in städtischen Lagerhallen darauf warten, an Ort und Stelle installiert zu werden (siehe BD-Beitrag vom 22. April 2025).
Aus der vor einigen Jahren noch aufstrebenden Gemeinde mit visionären Zielen (Klostersee mit kleiner oder großer Badeseelösung / Naherholung vor der Haustür) ist bis auf den gefühlt rasant zunehmenden Straßenverkehr, der durch die Gemeinde rollt, mittlerweile eher ein sehr stilles „Dorf“ mit nur wenig Möglichkeiten der Freizeitgestaltung geworden. Auch, wenn dies von einigen Vertretern und Vertreterinnen aus der Lokalpolitik gerne anders beschrieben und gesehen wird.
Während die Reduzierung des Durchgangs- und Schwerlastverkehrs, wie sie in den Wahlprogrammen vor der letzten Kommunalwahl explizit als eines der wichtigen Ziele politischer Arbeit genannt wurde, vielleicht irgendwo im Borkener Stadtgebiet umgesetzt werden konnte, trifft dies für Burlo allerdings nicht zu. Auch, wenn entsprechende Zahlen aus Verkehrszählungen hier aktuell nicht vorliegen, so bestätigt die große Mehrheit der Anwohner die gefühlt stark angestiegene Verkehrsbelastung auf den Hauptdurchgangsstraßen in der Gemeinde. Nicht umsonst fordern mittlerweile erneut besorgte Eltern dringend städtisches Handeln beim Thema Verkehrssicherheit an Schulwegen (siehe BD-Beitrag vom Juni 2025) an der viel befahrenen Borkener Straße (L600).

Derzeit erscheint also die einst positive Dorfentwicklung entgegen aller Beteuerungen eher planlos als zukunftsorientiert – so Stimmen aus der Bürgerschaft. Und genau dies sollte sich nach Einschätzung der Wählerinnen und Wähler – hoffentlich nach den anstehenden Kommunalwahlen – schnellstmöglich ändern.
Ein Beitrag von Michael H. Schmitt