Gänsehautmomente – Grupo Sal und Patricia Gualinga im Forum Mariengarden

Gänsehautmomente – Grupo Sal und Patricia Gualinga im Forum Mariengarden
Laura Rupp (links) übersetzte die Statements der Aktivistin Patricia Gualinga (rechts) - Foto: mhs

Konzertlesung – Außergewöhnliches Format lässt ZuhörerInnen berührt und bewegt zurück

(bd) Unter dem Titel “Die Welt im Zenit” erlebten rund 50 Besucher am Freitagabend im Burloer Forum Mariengarden ein außergewöhnliches Event mit Musik und einer Video-Schaltung nach Südamerika zur wohl bekanntesten indigenen Umweltaktivistin, Patricia Gualinga. Die überwiegend im deutschsprachigen Raum agierende lateinamerikanische Formation Grupo Sal mit den Musikern Aníbal Civilotti (Argentinien), Fernando Dias Costa (Portugal), Harald Schneider (Deutschland), Omar Plasencia (Venezuela) und Luis Caballero (Peru) eröffnete musikalisch den Abend, nachdem Borkens Bürgermeisterin Mechtild Schulze Hessing die BesucherInnen begrüßt hatte.


Eingeladen zu dieser “Collage” aus Musik und Wortbeiträgen hatte der Kreis Borken gemeinsam mit dem Kreisdekanat. Unterstützt wurden sie dabei durch die Stadt Borken, die Wirtschaftsförderungsgesellschaft für den Kreis Borken, das Katholische Bildungswerk Kreis Borken, das aktuelle Forum Volkshochschule sowie die Kommunalen Gleichstellungsbeauftragten im Kreis Borken.

Grupo Sal sorgte für den musikalischen Teil des Events – Foto: mhs

Als Moderatorin und deutsche Stimme der Sprecherin der indigenen Kichwa-Gemeinde Sarayaku, Patricia Gualinga, die sich zum Zeitpunkt des Events bei ihrer Familie in ihrem Heimatort im Amazonasgebiet aufhielt und eindrückliche Statements zum Klima- und Umweltschutz abgab, agierte die in Bochum arbeitende Lateinamerika-Wissenschaftlerin Laura Rupp.

Im Wechsel zwischen lateinamerikanischen Klängen der leidenschaftlich aufspielenden Musiker und Fragenstellungen an die ecuadorianische Aktivistin erlebten die ZuhörerInnen einen kurzweiligen Abend, der alle Beteiligten am Ende berührt und bewegt zurückließ. Anhand vieler Beispiele beschrieb Gualinga die Folgen wirtschaftlicher Ausbeutung der Wälder im Amazonasgebiet und der dort lebenden, indigenen Bevölkerung. Gualinga führt seit vielen Jahren einen erfolgreichen Kampf gegen das Eindringen in ihr Territorium durch internationale Ölkonzerne für die Gewinnung von Öl, Gas und Mineralien und erlangte so weltweite Bekanntheit.

Statements der Aktivistin wirkten nach

Stellung nahm sie während der Veranstaltung auch zum aktuell tagenden G20-Klimagipfel in Glasgow, dem sie aufgrund der unterstellten, rein wirtschaftlichen Interessen der Teilnehmer, nur wenig Wirksamkeit im Kampf gegen den Klimawandel einräumte. Gualinga zeigte sich überzeugt davon, dass die Vertreter der führenden Wirtschaftsnationen die Auswirkungen ihres Handelns nur dann begreifen würden, wenn sie den Waldboden im Amazonasgebiet anfassen, sich dabei schmutzig machen und die angerichteten Schäden direkt vor Ort betrachten würden. Nur dann könne man verstehen, dass die Abholzung und Rodung der Wälder sofort gestoppt werden müsse, um eine Kehrtwende des globalen Temperaturanstiegs mit den daraus resultierenden Folgen für den Planeten Erde und die Menschheit zu erwirken.

In diesem Zusammenhang beschrieb sie die Widersprüchlichkeit staatlichen Handelns anhand eines nachdenklich stimmenden Beispiels: Während der Bau immer neuer Windkraftanlagen in den westlichen Ländern als Masterplan zum Ausstieg aus der Verbrennung fossiler Energiequellen betrachtet wird, vergesse man dabei, dass genau für diese Windkraftanlagen sehr viel Balsaholz benötigt werde. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie hätten sich Staaten wie China auf die Abholzung dieses in Südamerika wachsenden Gehölzes, das als Baukomponente für Windradrotoren von großer Bedeutung ist, geradezu spezialisiert und damit unvorstellbaren Schaden an Natur und Mensch im Amazonasgebiet angerichtet.

Jede Veränderung am Regenwald hat Auswirkungen auf die globalen Ökosysteme

Die Aktualität ihrer Statements, gepaart mit der Tatsache, dass die indigenen Aktivisten gewaltfrei Einfluss auf die globale Entwicklung nehmen wollen, dies seit Jahren mit vielen Aktionen auf allen Kontinenten praktizieren, um so die Sinne der westlichen Welt für ihre Thesen zu schärfen, hinterlässt bleibenden Eindruck. “Mit Blick auf den aktuell abgehaltenen Klimagipfel – es ist bereits der 26. – bleibt festzustellen: Bisher ist kaum etwas passiert, was die Lage in die richtige Richtung verändert”, nimmt Gualinga Stellung und bringt damit auf den Punkt, was gerade in der westlichen Welt mit blumigen Worten schön geredet wird. Man habe auch nach so vielen Jahren nicht begriffen, dass der Regenwald Südamerikas mit den globalen Ökosystemen eng verwoben ist.

Insofern fordert sie, dass nicht – wie bisher – die indigenen Völker zu den Klimagipfeln eingeladen werden, sondern dass diese Gelegenheit erhielten, Gastgeber zu sein. Ob ihre Pläne, den nächsten Gipfel in den Amazonas-Wäldern abzuhalten, realistisch sind, bleibt abzuwarten.