Vor fünf Jahren in Burlo – Das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte zum Anfassen
Ein Bahnwaggon auf dem Schulhof und ein Theaterstück im Forum Mariengarden wühlten die Menschen auf
BURLO | bd | Heute vor 80 Jahren (20. Januar 1942) trafen sich hochrangige Vertreter des Naziregimes in einer Villa am Berliner Wannsee, um den Holocaust generalstabsmäßig zu organisieren. Es ging dabei um nichts Geringeres als um die Vernichtung des gesamteuropäischen, jüdischen Lebens. Geredet wurde unter den Teilnehmern über die so genannte „Endlösung“, die das industriell durchorganisierte Töten in den Konzentrationslagern zum Inhalt hatte. Die grausame Maschinerie nahm immer schneller Fahrt auf – viele Millionen Menschen wurden in der Folgezeit in Bahn-Waggons in die Vernichtungslager deportiert. Ein Thema, das bis heute die Menschen bewegt und auch in Zukunft nicht in Vergessenheit geraten darf.
Vor diesem Hintergrund standen heute vor fünf Jahren Schüler und Schülerinnen des Burloer Gymnasiums als „junges Ensemble Mariengarden“ unmittelbar vor der Premiere ihres Bühnenstücks um das „Mädchenorchester von Auschwitz“ und fieberten ihrem Auftritt entgegen. Zuvor hatte Regisseur Sascha Dücker dafür gesorgt, dass es nicht nur bei dem faszinierenden und, wie sich herausstellen sollte, überaus erfolgreichem Bühnenstück bleiben, sondern dass den BesucherInnen schon vor dem Zugang zum Theatersaal eiskalte Schauer über den Rücken laufen sollten. In einer Nacht- und Nebelaktion hatte er einen alten Bahnwaggon auf den Schulhof stellen lassen, mit dem nachweislich unzählige Menschen in die Konzentrationslager transportiert worden waren.
Ein Stück dunkelster, deutscher Geschichte war plötzlich so nah – zum Anfassen nah. Die Aktion verfehlte ihre Wirkung nicht. Als SchülerIn über die Deportation in Geschichtsbüchern zu lesen und anhand von Abbildungen die Greueltaten des Naziregimes dargestellt und Nahe gebracht zu bekommen, ist die eine Sache. Sich mit dem stählernen Fahrgestell eines Bahnwaggons, dessen hölzerner Aufbau über die Jahrzehnte teilweise verwittert und marode geworden ist, konfrontiert zu sehen und dabei zu wissen, dass es einer der Waggons war, in dem Menschen von den Nazi-Schergen wie Vieh zusammengepfercht wurden, um sie wenige Tage später in den Vernichtungslagern zu töten, eine andere. Es löst Betroffenheit und Fassungslosigkeit aus.
Viele der BesucherInnen hatten sich dann auch am Premierenabend schweigend vor der geöffneten Waggontür versammelt und vermochten kaum zu begreifen, dass ihnen jemals die Geschichte auf so reale Art und Weise begegnen würde. Diese Aktion wird ganz sicher noch viele Jahre im Gedächtnis der Menschen haften bleiben – und das ist auch gut so.