Im Blickpunkt | Energiepreissteigerung und die wirtschaftlichen Folgen
Preise ziehen in allen Bereichen bereits spürbar an
JOURNAL | bd | Kaum ein Tag, an dem es vor allem seit Beginn des Ukraine-Krieges keine neuen Meldungen zum Thema „Anstieg der Lebenshaltungskosten“ gibt. Die Meldungen dazu sind teilweise haarsträubend – nicht etwa, weil sie in immer neuen Szenarien darstellen, dass den Verbrauchern am Ende des Jahres Energiekostenrechnungen ins Haus stehen werden, die sie kaum stemmen können, sondern vor allem, weil die Verfasser der Nachrichten und die Äußerungen aus dem politischen Raum nicht einmal die halbe Wahrheit beschreiben. Es geht nicht nur um den Anstieg der Strom-, Gas- oder Treibstoffpreise, sondern um den Anstieg der Preise in allen Lebensbereichen. Es wird drastische Preissteigerungen beim Metzger oder Bäcker um die Ecke genauso geben wie im Discounter. Dies hat weniger mit der Tatsache zu tun, dass viele Handelsbereiche auf Produkte aus Russland verzichten, sondern vielmehr mit den Folgen, die sich aus der Transport- und Produktionsbranche zwangsläufig ergeben.
Fakt ist, dass die Verbraucher aktuell vor allem an den Tankstellen Preisanstiege erleben, wie es sie bislang nicht gegeben hat. Und dies, obwohl die aktuellen Rohölpreise keineswegs diese exorbitanten Anstiege rechtfertigen würden. Woran also liegt es, dass die Treibstoffkosten momentan durch die Decke gehen? Führende Wirtschaftswissenschaftler wollen die Ursache dazu in den Spekulationen für die im Herbst dieses Jahres zu erwartende Knappheit an Rohstoffen sowie in Panikkäufen beim Heizöl ausgemacht haben. Doch auch diese Einschätzung kommt einem Stochern im Nebel gleich, denn aktuell weiß niemand, wie sich Russland als Energielieferant in der Zukunft verhalten wird. Kommt es zu einem von Russland ausgehenden Öl-Embargo, werden die Preise aufgrund der Abhängigkeit Deutschlands schlicht und ergreifend kollabieren. Aber das ist zunächst einmal noch Zukunftsmusik, wenngleich auch eine mit vielen, schiefen Tönen.
Preisanhebungen treffen jetzt schon die Verbraucher
Das Wichtigste aber wird derzeit in den verbreiteten Nachrichten kaum erwähnt. Bei anhaltend hohen Spritpreisen werde die Lieferketten der Güter, die täglich in den Regalen stehen müssen und an deren Vielfalt wir uns in den vergangenen Jahrzehnten so gewöhnt haben, unterbrochen. Viele Speditionen, die aktuell die steigenden Treibstoffkosten noch aus eigenen Mitteln finanzieren, werden aller Voraussicht nach in Kürze vom Markt verschwinden.
Viele Speditionen stehen angesichts der hohen Dieselpreise kurz vor der Insolvenz, warnt der Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung
Der Grund dafür sind langfristige Verträge zwischen Spediteuren und Handelsketten, an denen sich kurzfristig kaum rütteln lässt. Eine wohl nie dagewesene Insolvenzwelle wird mutmaßlich also auf die Transportbranche zurollen. Ob und wie sich dieses Szenario verhindern lässt, steht derzeit noch in den Sternen. Doch auch diejenigen, die danach als Überlebende weiterhin im Liefergeschäft mitmischen, müssen zwangsläufig die gestiegenen Transportkosten an den Verbaucher weiterreichen – ihnen wird da kaum Spielraum bleiben. Insofern ist davon auszugehen, dass die Verbraucher bis zum Ende des Jahres mit immer weiter und schneller steigenden Preisen rechnen müssen. Spürbar ist das bei einigen Produkten bereits jetzt schon. Kostete ein Liter Speiseöl beim Discounter um die Ecke gestern noch um die zwei Euro, liegt der Preis aktuell bereits bei 2,50 € oder mehr. Auch an der Fleischtheke kennen die Preise derzeit nur eine Richtung – und auch die geht steil nach oben.
Die aktuell auf bundespolitischer Bühne geführten Diskussionen über ein Energiegeld, in welcher Höhe das auch immer in den deutschen Haushalten ankommen mag, sind daher nur der Tropfen auf den sprichtwörtlich heißen Stein, reine Makulatur. Die Ursache für auf breiter Front weiter steigende Preise ist damit keinesfalls behoben – nicht einmal im Ansatz. Die von Altbundespräsident Joachim Gauck vor wenigen Tagen von den Medien mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommene und verbreitete Äußerung, man könne oder müsse für die Freiheit auch einmal frieren (Gauck äußerte diesen Satz im Zusammenhang mit seiner Forderung nach schärferen Sanktionen gegen Wladimir Putin), muss in Kenntnis dessen, was auf die Bürgerinnen und Bürger zukommt, wohl um einen Halbsatz erweitert werden. Daher müsste es vorausschauend eher heißen: „Wir können für die Freiheit auch mal frieren und in allen anderen Lebensbereichen Verzicht üben (müssen).“
Bleibt also zu hoffen, dass sich die Lage im Osten Europas schnellstmöglich normalisiert. Dass wir allerdings so weitermachen wie bisher, aus dem Vollen schöpfen und ein Leben im Überfluss führen, davon werden wir uns wohl für lange Zeit verabschieden müssen.