Erlebt die Zinkbadewanne im Winter ein ungeahntes Comeback?

Erlebt die Zinkbadewanne im Winter ein ungeahntes Comeback?
Energieknappheit - Werden eine warme Wohnung und ein warmes Bad bald unerschwinglich? - Symbolbild

Seit Beginn des Ukraine-Krieges scheint nichts mehr unmöglich

Journal | Seit dem 24. Februar 2022, dem Tag des russischen Einmarsches in die Ukraine, müssen die Bürger und Bürgerinnen in ganz Europa immer mehr Einschränkungen hinnehmen. Das, was sich bereits kurz nach Beginn des Krieges abzeichnete, nimmt nun zunehmend an Fahrt auf: Strom und Gas wird mehr und mehr zum kaum bezahlbaren, weil immer knapper werdenden Gut. Nicht etwa, weil die Menschen nun endlich die Problematik des Klimawandels verstanden hätten und beginnen, der Erderwärmung durch den Ausstoß von CO2 in aller Härte zu begegnen, nein – einzig und allein weil ein Mensch auf diesem Planeten es so will und weil es die europäischen Staaten in den vergangenen Jahrzehnten nicht hinbekommen haben, sich von Despoten wie Putin und anderen unabhängig zu machen. Allen voran die Bunderepublik, die nun langsam zu begreifen beginnt, viele Jahre auf das falsche Pferd gesetzt zu haben – leider viel zu spät.

Im Zuge dessen werden bei mir Kindheitserinnerungen geweckt und ich sehe mich in die Zeit der 1960er Jahre zurückversetzt. Zu jener Zeit war freitags oder samstags Badetag in den Wohnstuben. Hervorgeholt wurde dann – fast einem Ritual gleich – eine große Zinkbadewanne, die heute in vielen Gärten allenfalls noch als Dekoration und Pflanzgefäß herhalten muss. Die Bilder des dampfenden Wasserkessels auf dem Kohleofen sehe ich wieder vor mir und bei den Gedanken daran steigt mir der Fichtennadelgeruch der Brausetabletten, die dem Badewasser anschließend als Duftstoff beigegeben wurden, wieder in die Nase, so, als wäre es erst gestern gewesen. Fließendes, warmes Wasser gab es zu jener Zeit in kaum einem Haushalt. Da musste also improvisiert werden.

Wenn nach gefühlt stundenlangen Vorbereitungen die Zinkwanne endlich mit heißem Wasser gefüllt war, musste innerfamiliär nur noch geklärt werden, wer als Erstes ins wohlriechende Nass gleiten durfte. Und diese Frage löste ein ums andere Mal Spannungen in der Familie aus. Es wurde unter den Geschwistern gezankt und geheult, geschimpft und getobt, was das Zeug hielt und was letztlich dazu führte, dass die Badereihenfolge ausgelost wurde. Entweder gehörte man zu den glücklichen Gewinnern und konnte Körperhygiene in frischem Badewasser betreiben, oder man ging als Verlierer hervor und war als letztes Familienmitglied an der Reihe. Für diejenigen, die sich das Prozedere aufgrund ihres jüngeren Lebensalters heute kaum vorstellen können: alle badeten in einer Wannenfüllung im gleichen Wasser, nacheinander, bis die Brausetablette längst aufgehört hatte zu blubbern und der anfängliche Schaum auf der Wasseroberfläche den etwas öligen Schlieren der Seife gewichen waren.

Und nun – viele Jahrzehnte später – heißt es, wir müssen uns jetzt darauf einstellen, vielleicht im Winter etwas in den Wohnungen zu frieren – vielleicht so wie in meinen Kindertagen, als Eisblumen an den Fensterscheiben im Winter die einzige, anschauliche Deko in meinem Zimmer waren? Zumutbar sei dies, heißt es weiter von denjenigen, die Zeit ihres Lebens nicht einen Tag auf wohlige Wärme verzichten mussten. Und wer weiß, vielleicht wird schon in den kommenden Wochen die Devise ausgegeben: “Leider müssen Sie auch bei dem Verbrauch warmen Wassers sparen – weil die Gastanks nicht ausreichend gefüllt sind und die zur Verfügung stehende Energie vorne und hinten nicht mehr ausreicht.”

Müssen wir das wirklich? Weil Wladimir Putin sich nicht nur als Kriegstreiber und Lügner entpuppt hat und sich nun auch noch der Weltöffentlichkeit als skrupelloser Erpresser präsentiert? Weil viele hundert Millionen Menschen in ganz Europa tatenlos zusehen müssen, wie der Gashahn immer weiter abgedreht wird und es Generationen von Staatenlenkern offenbar versäumt haben, alternative Konzepte für einen solchen “Ernstfall” zu erarbeiten?

Eisblumen an den Fenstern der Wohnstuben – ein Zustand, an den sich viele Menschen noch gut erinnern können – Foto: pixabay

Ich für meinen Teil will nie mehr im Badewasser anderer Menschen baden und auch nicht die Eisblumen von den Fenstern kratzen, weil ich – wie Millionen anderer Menschen auch – dafür weit mehr als fünfzig Jahre meines Lebens hart gearbeitet habe um mir diesen winzigen “Luxus” des Solo-Bades und einer warmen Wohnung auch zukünftig zu gönnen. Die Zinkbadewanne soll gefälligst im Garten bleiben und nie wieder als Badebehältnis zum Einsatz kommen.

Und wer da nun als verantwortlicher Politiker im Europaparlament, im Bundes- oder auch Landtag glaubt, er müsse die Bevölkerung auf Zeiten des Verzichts einstimmen, der sollte dies dann bitteschön mit dem gebotenen Respekt tun und gleichzeitig bedenken, dass die große Mehrheit der Bevölkerung weder diesen Krieg noch eine kalte Wohnstube im kommenden Winter will. Das, was sich die Menschen in ganz Europa wünschen, ist ein Leben in Frieden und ein sofortiges Ende dieses verbrecherischen Krieges in der Ukraine – inklusive einer bezahlbaren, warmen Wohnung im kommenden Winter.

Ein Beitrag von: Michael H. Schmitt