Energiekrise – Rentner und Geringverdiener am Stärksten betroffen
Jeder dritte Haushalt in Deutschland hat keine nennenswerten Ersparnisse
JOURNAL | pd/bd | Energie einzusparen ist im Hinblick auf eine bevorstehende Gasmangellage ein probates Mittel, das Frieren im Winter und somit das Schlimmste abzuwenden. Doch auf die Haushalte in Deutschland kommt noch weit mehr zu als das etwas kälter temperierte Duschwasser oder das Absenken der Raumtemperatur um ein oder zwei Grad. Das, was der großen Mehrheit der Bevölkerung noch bevorsteht, ist die zwangsläufige Konsequenz, die sich aus der Explosion der Energiekosten und die damit einhergehenden Abschlags- und Nachzahlungen ergibt. Es steht zu befürchten, dass ein nicht geringer Teil der Bevölkerung die finanziellen Mittel zur Begleichung der Energiekosten nicht mehr aufbringen kann. Wie der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fatzscher, beschreibt, hat ein beträchtlicher Teil der deutschen Haushalte keine finanziellen Reserven, worauf in Krisenzeiten wie diesen zurückgegriffen werden könnte.
Die Problemgruppe seien dabei nicht die Empfänger von Wohngeld oder Sozialhilfe, sondern vor allem Geringverdiener und Rentner, die keine staatlichen Leistungen nach den Sozialgesetzbüchern II und XII in Empfang nehmen. Sie werden es sein, die in den kommenden Monaten ihr persönliches Armageddon erleben dürften. Dieser Kreis der Betroffenen erfährt persönlich eine drei- bis viermal höhere Inflation als Menschen mit hohen Einkommen und verfügt über keinerlei Absicherung, um mit den entstehenden Mehrkosten umzugehen.
Der soziale Zündstoff, der sich hinter dieser aktuellen Entwicklung verbirgt, veranlasst daher angesichts der Ernsthaftigkeit der Lage immer mehr Politiker und Politikerinnen am Berliner Regierungssitz, gesellschaftlichen Zusammenhalt einzufordern. Konkrete Zahlen und Beträge jedoch, auf die sich die Betroffenen verlässlich vorbereiten könnten, werden bisher kaum genannt. Doch was bislang nur verbal angekündigt war und oftmals in Phrasen wie „drastische Erhöhungen der Energiekosten“ oder „deutliche Anhebung der Preise“ mündete, flattert nun peau à peau in Form einer wahren Hiobsbotschaft in die Briefkästen der Strom- und Gaskunden.
Die Auswirkungen sind geradezu verheerend und stellen nicht nur private Haushalte, sondern auch kleine und mittelständische Betriebe vor kaum lösbare Probleme. Die Rede ist teilweise von einer Verdreifachung bisher angefallener Strompauschalen – und noch schlimmer dürfte es bei den Pauschalen für künftige Gaslieferungen werden.
Einer aktuellen Recherche zufolge liegen die Gaspreise schon jetzt auf einem derart hohen Niveau, dass sie von vielen Haushalten kaum noch bezahlt werden können. Eingepreist sind dabei noch nicht die Umlagen auf den Gaspreis, die von den Versorgern zukünftig an die Verbraucher weitergereicht werden. Diese Entwicklung führt in vielen Haushalten und kleineren Unternehmen ungebremst zunächst in die Überschuldung und anschließend in die Insolvenz.
Im Eröffnungsstatement zur Bundespressekonferenz wiederholte Bundeskanzler Olaf Scholz derweil seine Botschaft an die Bürgerinnen und Bürger, die mit steigenden Lebenshaltungskosten in Folge der Energiekrise konfrontiert sind:
You’ll never walk alone.
Olaf Scholz, Bundeskanzler
Nice to have – mag manch ein Betroffener in gleichem Jargon dabei denken, denn aktueller Stand der Lage ist eher der, dass die Mehrzahl der betroffenen Haushalte die Situation ohne staatliche Hilfe bewältigen muss. Versprochene Entlastungspakete, auch die erst im Laufe der Woche von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) angekündigten, steuerlichen Entlastungen, dürften bei den Bedürftigen kaum rechtzeitig oder gar nicht ankommen. So sieht das zumindest Nordrhein-Westfalens Arbeits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU), der gegenüber der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung (WAZ) sagte: „Die, die wenig verdienen und dementsprechend auch in geringem Umfang Steuern zahlen, sind aus fast allen Entlastungen, die die Bundesregierung auf den Weg gebracht hat – und nach den bisher bekannten Aussagen noch bringen möchte – rausgefallen.“
Bleibt nun abzuwarten, was die Bundesregierung morgen (15. August 2022) zu den Gasumlagen verkünden wird. Die bisher von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (GRÜNE) genannte Bepreisung von 1,5 bis 5 Cent pro Kilowattstunde soll dann verbindlich genannt werden.
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