Einführung des „Bürgergeldes“ wird aktuell vorbereitet

Einführung des „Bürgergeldes“ wird aktuell vorbereitet
Die Jobcenter-Leitungen im Kreis Borken bereiteten bei ihrer Tagung im Borkener Kreishaus die Einführung des Bürgergeldes vor - © Kreis Borken

Bezieherinnen und Bezieher des Arbeitslosengeldes II müssen selbst nichts veranlassen

KREIS BORKEN | pd | Nach langen politischen Diskussionen tritt am 1. Januar 2023 das sogenannte „Bürgergeld“ an die Stelle des bisherigen Arbeitslosengeldes II, auch bekannt unter dem Namen Hartz IV. Kurzfristig müssen die Jobcenter im Kreis Borken nun diese neuen Regelungen praxisgerecht umsetzen – eine große Herausforderung nicht zuletzt auch wegen der hohen öffentlichen Erwartungshaltung. Zudem reduziert der Bund im neuen Jahr aber die Budgets der Jobcenter deutlich, so dass der Spielraum für eine bedarfsgerechte Förderung bei gleichzeitiger Einführung neuer Instrumente stark eingeengt wird. Vor diesem Hintergrund haben sich jetzt die Leitungen der örtlichen Jobcenter der 17 Städte und Gemeinden im Kreis Borken im Borkener Kreishaus mit der Umsetzung der Neuregelungen befasst. Sie machten dabei deutlich, dass eine Ausweitung der Ausstattung mit finanziellen und personellen Ressourcen durch den Bund unabdingbar sei, damit die Chancen, die das Bürgergeld biete, auch tatsächlich bei den Menschen ankommen können.

Zu künftigen Rechtslage geben sie folgende Informationen: Die bisherigen Bezieherinnen und Bezieher des Arbeitslosengeldes II müssen selbst nichts veranlassen. Auf den ersten Blick ändert sich ohnehin nicht so viel. Auf den zweiten Blick gibt es aber doch einige Neuerungen, die für die betroffenen Menschen zu spürbaren Veränderungen führen können. So werden die Regelsätze deutlich steigen – je nach Regelbedarfsstufe auf bis zu 502 Euro im Monat. Derzeit werden die technischen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass die Geldleistungen ab Januar auch in der richtigen Höhe ausgezahlt werden können.

Für Personen, die künftig erstmals einen Leistungsantrag stellen, werden Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung erst nach 12 Monaten Bürgergeldbezug überprüft. Heizkosten werden aber nur im angemessenen Umfang gewährt, um auf einen sparsamen Umgang mit Energie hinzuwirken. Nach Ablauf der 12 Monate ist ein höheres Schonvermögen als bislang vorgesehen.

Im Hinblick auf die „Angemessenheit der Wohnung“ wird darauf verwiesen, dass schon bisher die Jobcenter prüfen, ob ggf. alternativer Wohnraum zur Verfügung steht und damit ein Umzug verhältnismäßig sein kann. Auch in Sachen „Integration in den Arbeitsmarkt“ engagierten sich die Jobcenter bereits in der Vergangenheit sehr stark. Viel Wert legen sie daher weiterhin auf eine gute Vorbereitung für den (Wieder-) Einstieg in Arbeit. Dazu gehören unverändert eine intensive Beratung sowie Maßnahmen zur Aktivierung und Qualifizierung ausgerichtet nach den jeweiligen Unterstützungsbedarfen. Dies wurde nun auch gesetzlich geregelt durch die Abschaffung des sogenannten Vermittlungsvorrangs („Arbeitsvermittlung geht vor Qualifizierung“).

Die Beziehung zwischen Leistungsberechtigten und Jobcenter-Fachkräften soll nun auch in formeller Hinsicht für mehr Vertrauen und Zusammenarbeit stehen. Dazu wird die bisherige „Eingliederungsvereinbarung“ durch einen „Kooperationsplan“ ersetzt, ein Kernelement des neuen „Bürgergeld-Gesetzes“. Dieser Plan dokumentiert künftig in klarer und verständlicher Sprache die jeweils gemeinsam entwickelte Eingliederungsstrategie. Er dient damit als „roter Faden“ beim weiteren Vorgehen. Die erste Einladung zur Erarbeitung eines solchen Plans ist unverbindlich. Leistungsminderungen, also Sanktionen, werden erst dann vorgenommen, wenn Absprachen nicht eingehalten werden. Vorher wird es aber immer eine Kontaktaufnahme geben, in der darauf hingewirkt wird, die abgesprochenen Maßnahmen einzuhalten. Gleichzeitig sollen dabei die Konsequenzen bei fehlender Kooperation aufgezeigt werden (Rechtsfolgenbelehrung). So lange also Jobcenter-Fachkraft und leistungsberechtigte Person die gegenseitige Erwartungshaltung offen darlegen und das Vorgehen im konstruktiven Miteinander abstimmen, sind folglich Sanktionen kein Thema. In der bisherigen Praxis spielten Sanktionen im Kreis Borken ohnehin nur eine geringe Rolle. Sie kamen in der Regel lediglich dann zum Tragen, wenn sich zum Beispiel Leistungsberechtigte hartnäckig und ohne besonderen Grund weigerten, an ihrer Integration mitzuwirken.

Das „Bürgergeld“ bietet besondere Anreize, Arbeit aufzunehmen bzw. den Arbeitsplatz zu behalten, indem die Freibeträge für Erwerbseinkünfte, Ausbildungsvergütungen und Nebenjobs beispielsweise für Schülerinnen und Schüler oder Studierende angehoben wurden. Zudem stehen Weiterbildung und der Erwerb eines Berufsabschlusses beim „Bürgergeld“ im Vordergrund. Für Weiterbildungen werden ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich und neue Angebote geschaffen. Wer etwa einen Berufsabschluss nachholt, kann statt bisher zwei künftig für bis zu drei Jahre gefördert werden. Wichtig auch: Der „Soziale Arbeitsmarkt“ wird fortgeführt. So können Jobcenter weiterhin sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse fördern, um Menschen nach besonders langer Arbeitslosigkeit zu aktivieren.

Zum Hintergrund:
Der Kreis Borken ist einer von bundesweit 104 Landkreisen und kreisfreien Städten, die kommunale Jobcenter betreiben. Die übrigen 302 Jobcenter in Deutschland agieren in gemeinsamer Trägerschaft von Kommune und lokaler Agentur für Arbeit.

Unter dem Dach „Jobcenter im Kreis Borken“ werden hier die Aufgaben gemeinsam von der Kreisverwaltung und den 17 kreisangehörigen Kommunen erledigt. Kontaktstelle für die Hilfesuchenden ist dabei das örtliche Jobcenter in der jeweiligen Stadt-/Gemeindeverwaltung des Wohnortes. Das Jobcenter der Kreisverwaltung kümmert sich um übergreifende Aufgaben, wie Finanzierung, IT-Administration, Statistik und Controlling sowie um die Organisation und Koordinierung von Aktivierungs- und Qualifizierungsangeboten.