Extremsportlerin Joyce Hübner – Abstecher nach Burlo währte nur kurz (Interview im Beitrag)

Extremsportlerin Joyce Hübner – Abstecher nach Burlo währte nur kurz (Interview im Beitrag)
Die aus Berlin stammende Joyce Hübner (nach dem Zieleinlauf in Vreden) startet nächstes Lauf-Projekt | Foto: BD/mhs

Wir haben mit der Läuferin nach ihrem 72. Marathon in Vreden gesprochen

BURLO / VREDEN | bd | Kaum hatte die Berliner Extrem-Läuferin Joyce Hübner auf ihrer heutigen Etappe von Suderwick nach Vreden den Boden in Burlo berührt, war sie auch schon wieder weg. Begleitet von rund 25 Läuferinnen und Läufern hatte sie während des 72. Marathons auf ihrem Weg entlang der deutschen Grenze nur ein paar Eindrücke vom Burlo-Vardingholter Venn sammeln können, bevor sie über den Kommiesenpatt die Grenze zur Nachbargemeinde Südlohn erreicht hatte. Dort, in Höhe der Schutzhütte am „Rettungstreffpunkt 15-SÜDL-02“ wurde die Gruppe bereits von Sven Dünnwald, Freund und Begleiter der Läuferin, erwartet. Wie bei jedem bisher absolvierten Lauf auf der bislang rund 3.200 Kilometer langen Wegstrecke gab es auch hier zwischendurch wieder die nötige Verpflegung, um den Rest der Etappe zu überstehen.

Nach kurzer Stärkung ging es bereits wenige Minuten später weiter über Oeding zum heutigen, noch rund 20 Kilometer entfernten Zielpunkt in Vreden, wo sich die Athletin noch die Zeit für ein Interview mit BD-Redakteur Michael H. Schmitt nahm (Die Gesprächspartner haben vor dem Interview als Anredeform das Du vereinbart). Getroffen hat der Redakteur am Zielpunkt eine lockere, gut gelaunte und nicht im Geringsten strapaziert aussehende Sportlerin, die gerne Rede und Antwort stand.

BD: Das Wichtigste zuerst: Heute hast Du die 72. Teilstrecke absolviert – 48 Etappen mit rund 2.000 Kilometern liegen noch vor Dir. Wie fit fühlst Du Dich noch für den immerhin doch recht strammen Rest des Lauf-Projekts?

Joyce: „Heute war ein sehr guter Tag. Insofern würde ich sagen, ich schaffe das total easy. Gestern war einer der eher schlechteren Tage. Das Wetter, die Menschen, die einen begleiten, die Strecke – es hängt immer von mehreren Faktoren ab, ob man sich gut oder weniger gut fühlt. Und schließlich bin ich eine Frau, also habe auch ich manchmal entsprechende Stimmungsschwankungen (lacht).“

BD: Baut man auf den Etappen zu den Läuferinnen und Läufern, die Dich auf den Etappen begleiten, eine Bindung auf oder fällt das eher unter die Rubrik ‚flüchtige Bekanntschaften‘?

Joyce: „Es wird sicher einige geben, zu denen ich auch später, nach dem Projekt noch Kontakt haben werde. Ist ganz so wie im normalen Leben. Zu manchen hat man sofort eine Bindung, zu anderen eben nicht. Aber alles in allem ist es mega schön, Menschen zu treffen, die das, was ich da gerade mache, gut finden und die mich dann ein Stück des Weges begleiten. Einige der Läuferinnen und Läufer werde ich bestimmt bei einem zukünftigen Laufwettbewerb mal wieder treffen.“

BD: Thema Nahrungsaufnahme. Wohl ein vorherrschendes Thema bei dieser strapaziösen Tour. Wie viele Kalorien musst Du täglich zu Dir nehmen, um das durchzuhalten?

Joyce: „Ist tatsächlich ein Thema, das mich von morgens bis abends beschäftigt. Soll heißen, ich stelle mir zwei Stunden vor dem Start den Wecker, damit ich in Ruhe frühstücken kann. Also – ich fange direkt nach dem Aufstehen mit dem Essen an und muss dann über den Lauftag verteilt etwa 5.000 Kalorien zu mir nehmen. Ungefähr 3.000 davon baue ich während des Laufs wieder ab. Während des Marathons habe ich dann alle Möglichkeiten, Kohlehydrate in unterschiedlicher Form zu mir zu nehmen. Ab und zu gibt’s auf der Strecke auch mal ein Stück Kuchen. Nach dem Marathon ist dann der erste Weg für mich ins Restaurant. Alles in allem ist das Essen neben dem Laufen die Hauptbeschäftigung für mich.“

BD: Und wie viel Flüssigkeit nimmst Du pro Lauftag zu Dir? Lässt sich das ungefähr benennen?

Joyce: „Kann man wirklich schlecht sagen. Ist von vielen Faktoren abhängig. An Tagen, an denen wir Außentemperaturen von 30 bis 35 Grad hatten, waren es – glaube ich – bestimmt fünf Liter während des Laufs. Heute, bei normalen Temperaturen, sind es immerhin noch rund 2 Liter und dann abends vielleicht nochmal zwei bis drei Liter. Insgesamt trinke ich vergleichsweise viel.“

BD: Mit welcher Mentalität der nachfolgend genannten Personen würdest Du Dich am Ehesten mit dem, was Du da gerade tust, vergleichen? Mit Joey Kelly, Reinhold Messner oder Jan Frodeno?

Joyce: „Ich würde mich tatsächlich mit keinem von denen vergleichen wollen. Der Grund dafür ist der, dass ich ja hier nicht einen Rekord einstellen will/muss. Ich bin nun mal der erste Mensch, der die Grenzen Deutschlands abläuft. Hat bisher eben noch niemand gemacht. Darüber hinaus komme ich ja auch nicht vom Leistungssport, sondern bezeichne mich lieber als Hobbysportlerin, die Menschen dazu einlädt, Spaß zu haben.

BD: Nun steht auf Deiner Homepage, dass Du zunächst viel Kraftsport im Gym betrieben hast, bevor Du zum Laufen kamst. Eigentlich völlig contraire zu dem, was Du nun machst. Wie geht das zusammen?

Joyce: „Stimmt. Ist eigentlich contraire. Bei mir gibt’s immer Extreme. Ich rutsche so von einem ins nächste. Erst sechs Mal die Woche im Fitnessstudio und dann ist das irgendwie eingeschlafen. Laufen war dann irgendwie das Einfachste und ich habe schnell gemerkt, welchen Spaß mir das bringt.“

BD: Du hast im Rahmen eines Interviews mal gesagt, dass derjenige, der einmal den Rauschzustand (Runners High) erlebt hat, ihn immer wieder spüren will. Birgt das nicht auch die Gefahr der Selbstüberschätzung und damit auch die Gefahr, sich zu verletzen?

Joyce: „Runners High ist das, was viele Läufer und Läuferinnen erleben. Sich selbst zu überschätzen, davon bin ich allerdings ganz weit entfernt, wenngleich die Gefahr schon ganz richtig beschrieben ist. Nun ist es aber auch so, dass ich die Marathons in einem für mich sehr moderaten Tempo laufe. Aktuell sehe ich keinen Sinn darin, sich über eine Distanz von 42 Kilometer permanent zu quälen. Spaß steht im Vordergrund. Ich genieße die Landschaften, unterhalte mich lieber mit den Läuferinnen und Läufern, die mich begleiten und mache dann, wenn es mir gefällt, auch mal ein Foto. Insofern bin ich von dem beschriebenen Rauschzustand bei meinem Projekt recht weit entfernt.“

BD: Was bleibt von der heutigen Strecke hängen?

Joyce: „Es ist sehr schön, dass es flach ist. Aber die Brennnesseln haben heute schon genervt (lacht). Nein, ich finde es abwechslungsreich. Mal ein Stück Waldweg, dann über Feldwege und wieder ab in den Wald. Einige meiner Begleiter:innen sagen, das sei eine recht öde Gegend. Ich empfinde das eher nicht.

BD: Gab es irgendwann auf den bisherigen Etappen mal einen Moment des Zweifels, an dem man sich selbst sagt: Ich packe das nicht?

Joyce: „Mhhh (überlegt). Nein. Tatsächlich gab es den ein oder anderen, doofen Moment, an dem ich mal einen Pausentag mehr eingeplant habe als ursprünglich vorgesehen. Aber der Gedanke, ich könne das Projekt nicht zu Ende bringen, der kam bisher nicht auf. Jetzt freue ich mich erst mal darauf, bald Meeresluft zu schnuppern. In etwa sieben Tagen sind wir an der Nordseeküste angekommen, wobei ich hoffe, dass ich dann dort auch mal Rückenwind und nicht nur die steife Brise von vorne abbekomme.“

BD: Was kommt nach dem Zieleinlauf in Frankfurt a.d. Oder? Schon die nächsten Projekte geplant?

Joyce: „Also dann werde ich erstmal abtrainieren müssen. Das heißt, mein Körper ist dann so auf die täglichen 42 Kilometer eingestellt, dass ich die täglichen Laufkilometer langsam zurückschrauben muss. Allerdings steht bereits vier Tage nach Zielankunft der Berlin-Marathon auf dem Programm. Ach ja, und wenig später der Marathon in Chicago. Dann ist für dieses Jahr aber auch Schluss. Was danach kommt, weiß ich wirklich noch nicht genau. Fest steht, dass ich am 1. November wieder arbeiten muss. Alles andere lasse ich mal auf mich zukommen.“

BD: Wir bedanken uns recht herzlich für das nette Gespräch trotz der Brennnessel-Strapazen des heutigen Laufs und wünschen – wohl auch im Namen unserer Leserinnen und Leser – auf dem weiteren Weg alles Gute und viel Erfolg.