„Ozapft is“ – Preisgestaltung auf der Münchner Wies’n läuft offenbar aus dem Ruder

„Ozapft is“ – Preisgestaltung auf der Münchner Wies’n läuft offenbar aus dem Ruder
Rund 6 Millionen Besucher*innen werden auf dem Münchner Oktoberfest erwartet - Symbolbild pixabay.com

Nach dem Fest dürfte bei vielen wohl der Schuldnerberater anklopfen

Meinung von Michael H. Schmitt | Als sich im Jahre 1810 Kronprinz Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese das „Ja-Wort“ gaben, erlebte die Münchner Gesellschaft die Geburtsstunde des Oktoberfestes. Hätte der Kronprinz seinerzeit schon gewusst, wie sehr das einst bürgerliche Fest bis ins Jahr 2023 aus dem Ruder laufen würde, hätte er seine Verlobte wohl eher im stillen Kämmerlein geehelicht. Denn das, was die Wies’n-Besucher in diesem Jahr erleben, hat mit dem Fest von einst kaum noch etwas zu tun.

Erwartet werden in den kommenden Wochen auf der Münchner Theresienwiese rund 6 Millionen Besucher*innen aus allen Ländern dieser Erde. Kaum waren am heutigen Morgen die bekannten Worte: „Ozapft is“ über das Festgelände gedrungen, stürmten viele tausend Menschen in die Festzelte. So, als gäbe es dort nur noch am heutigen Tage den beliebten und speziell fürs Oktoberfest gebrauten „Wies’n-Gerstensaft“.

Das, was die Besucher*innen erwartet, sind exorbitante Preise und völlig überfüllte Festzelte. Auch den, der einfach nur über das Gelände schlendern möchte und darauf verzichtet, in einem der Zelte einzukehren, wird der Preishammer wohl unerbittlich treffen. Eine Achterbahnfahrt oder eine Runde auf dem Riesenrad will man sich ja mindestens gönnen. Annähernd alle Fahrgeschäfte lassen sich ihre „Attraktionen“ mit 10 Euro und mehr pro Fahrt bezahlen.

Richtig tief ins Portemonnaie greifen müssen dann die Besucher*innen in den Festzelten. Eine Maß Bier kostet zwischen 12,60 EUR und 14,90 EUR. Für das halbe Backhendl muss der Kunde dann nochmal rund 25 Euro auf den Tisch des Gastwirtes legen. Im Übrigen erwarten die Wies’n-Wirte am Zugang zu ihren Zelten den Nachweis eines Verzehrgutscheins, für den es 2 Maß Bier und ein halbes Backhendl gibt. Insofern ist der Gast dann schon mal (günstig gerechnet) mindestens 50 Euro los. Und dabei dürfte es kaum bleiben.

Aber klar, dafür wird einem ja auch viel geboten: Wies’n-Gaudi, dichtes Gedränge, Blasmusik und, mit ein wenig Glück, trifft man dann noch den ein oder anderen Promi, dem dann völlig ungezwungen zugeprostet wird. Toll. Und wer den kleinen Hunger zwischendurch mit einer der leckeren Brez’n stillen möchte, der muss dafür nochmals ein paar Scheinchen locker machen. So kostet das Gebäck im Armbrustschützen-Festzelt 14,40 Euro und im Bräurosl 14,30 Euro. Wer an einem der Wies’n-Stände außerhalb der Zelte eine Brezel verspeisen möchte, muss 3,50 € bis 4 Euro auf den Tisch legen.

Nun könnte man meinen, die Preisgestaltung würde viele von einer Reise nach München abschrecken. Diese Annahme trifft aber nicht zu. Längst sind die Hotels in der Münchner Peripherie ausgebucht. Warum ich das überhaupt schreibe? Ich bin etwas irritiert darüber, dass sich hier in unserer Heimat alljährlich die vielen Schützenvereine tagelang, wochenlang damit auseinandersetzen, ob man den Bierpreis von 2,20 EUR auf 2,50 EUR anheben sollte, um halbwegs kostendeckend zu wirtschaften und ohne dass dies die Besucher*innen von einem Besuch des Schützenfestes abhalten könnte. In den Generalversammlungen der hiesigen Vereine ist der Bierpreis immer wieder ein beherrschendes Thema, wenn es an die Planungen fürs kommende Schützenfest geht. Schließlich will man sich die Diskussionen derer an den Getränkeständen ersparen, die lautstark gegen die erneute Preisanhebung wettern und so die Stimmung in den Schützenfestzelten herunterziehen. Kurioserweise sind es nicht selten dieselben Zeitgenossen, die aktuell mit ihren Vereinskameradinnen und -kameraden (Kegelvereine, Gesangsvereine und viele mehr) ihren jährlichen Ausflug nach München machen und dort offenbar bereit sind, viele hundert bis weit über eintausend Euro für die Wies’n-Gaudi zu berappen.

Da tröstet es auch nicht, dass die Wies’n-Wirte jetzt unisono beteuern, dass sie mit ihrer Preisgestaltung lediglich die Inflation und die gestiegenen Energiekosten auffangen wollen. Der zu erwartende Gewinn, den die Festzeltwirte und auch die Schausteller auf dieser Wies’n 2023 einfahren werden, steht in keinem Verhältnis mehr zur Gaudi, den die Besucher*innen erwarten dürfen.

Wer also Oktoberfest feiern möchte, kann dies auch in unserer Region bei einem der vielen Angebote tun. Vielleicht nicht mit so einem Rummel drumherum, aber mit genauso viel Gaudi. Und das auch noch zu moderaten Preisen.

In diesem Sinnen wünsche ich allen Leserinnen und Lesern eine schöne Oktoberfestzeit.



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