Lipödem-Erkrankung | Kosten für Fettabsaugung von der Steuer absetzen
Kürzliche Entscheidung des Bundesfinanzhofes
JOURNAL | pd | Dieses Urteil dürfte viele Betroffene der so genannten „Lipödem-Erkrankung“ interessieren. Diejenigen, die an dieser krankhaften Störung der Fettverteilung leiden, können rückwirkend ab dem Jahr 2016 die Kosten für eine Fettabsaugung als außergewöhnliche Belastung von der Steuer absetzen – ohne Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens. Das entschied kürzlich der Bundesfinanzhof (BFH). Der Lohnsteuerhilfeverein Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH) erklärt die Details.
Der Fall
Eine Patientin litt seit Jahren an einem Lipödem. Eine auf Lipödem spezialisierte, privatärztliche Praxis bescheinigte, dass die Erkrankung nur durch Fettabsaugung zu lindern sei. Die Krankenkasse weigerte sich aber, die Kosten der drei folgenden Liposuktionsbehandlungen zu übernehmen. Begründung: Der Gemeinsame Bundesausschuss der Krankenkassen (GBA) hatte trotz jahrelanger Prüfung noch keine entsprechende Kostenübernahmeempfehlung ausgesprochen.
Auch das zuständige Finanzamt lehnte die Anerkennung der Operationskosten als außergewöhnliche Belastung ab. Begründung: Es handele sich um eine wissenschaftlich nicht anerkannte Behandlungsmethode. Außerdem habe die Patientin versäumt, vor der Behandlung ein amtsärztliches Gutachten oder eine ärztliche Bescheinigung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vorzulegen.
Die Patientin klagte, und das zuständige Finanzgericht gab der Klage statt. Denn nach Auffassung des Finanzgerichts habe sich der Stand der Wissenschaft inzwischen gewandelt, und die Behandlungsmethode Liposuktion sei als wissenschaftliche Behandlungsmethode anzuerkennen.
Die Entscheidung
Der BFH bestätigt die Auffassung des Finanzgerichts und stellt ebenfalls fest: Die Liposuktion sei nach heutigem Wissenstand als wissenschaftlich anerkannte Behandlungsmethode anzusehen. Das zuständige Finanzgericht habe nachgewiesen, dass sowohl die Bundesärztekammer wie auch nahezu alle medizinischen Lipödem-Fachgesellschaften in 2015/2016 der Auffassung waren, bei einem Lipödem habe eine Liposuktion in den meisten Fällen symptomlindernde Wirkungen. Ein formalisierter Nachweis durch ein ärztliches Gutachten oder eine Bescheinigung eines Medizinischen Dienstes der Krankenkassen ist daher seit 2016 nicht erforderlich (BFH-Urteil vom 23. März 2023, Aktenzeichen VI R 39/20, veröffentlicht am 29. Juni 2023).
Konkret heißt das für Betroffene: Wenn die Liposuktion beispielsweise im Jahr 2021 durchgeführt und die Steuererklärung noch nicht abgegeben wurde, können die Operationskosten als außergewöhnliche Belastungen angegeben werden. War die Liposuktion allerdings zum Beispiel im Jahr 2017 und der Steuerbescheid für 2017 wurde bereits erlassen, dann kann der Bescheid aufgrund des Urteils nicht mehr geändert werden – außer er wurde durch einen Einspruch offengehalten.
Übrigens: Mit seiner Entscheidung korrigierte der BFH seine Beurteilung aus dem Jahr 2010. Damals bestätigte Deutschlands höchstes Steuergericht noch die Auffassung eines Finanzgerichts, wonach Liposuktion keine wissenschaftlich anerkannte Methode sei.
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Quelle: Vereinigte Lohnsteuerhilfe e. V. (VLH)